Die EU-Kommission, die Gentechnik und der Honig: Will die Kommission Gentech-Pollen in Honig fördern?

Wie das Bündnis zum Schutz der Bienen vor Agro-Gentechnik in einer aktuellen Pressemeldung mitteilt, müssten Verbraucher und Imker künftig Gentechnik im Honig dulden, wenn es nach dem
Willen der EU-Kommission ginge. Denn die versuche derzeit, das „Honig-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs vom September 2011 auszuhebeln.

Erreichen wolle dies die Kommission mit einer Novelle der Honigrichtlinie von 2001. Dieser Richtlinie folgend, hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Pollen im Honig wie eine Zutat zu behandeln sei, da er auch beim Schleudern, also durch das Eingreifen des Imkers, in den Honig gelange. Doch darauf fußt im Wesentlichen die Entscheidung der Europarichter, dass Honig durch Pollen nicht zugelassener Gentechnikpflanzen seine Verkehrsfähigkeit verliert.

Die EU-Kommission möchte nun in der neuen Honigrichtlinie festschreiben, dass Pollen keine Zutat, sondern ein natürlicher Bestandteil des Honigs ist. Genauso hatte die Kommission bereits in der Verhandlung vor dem EuGH argumentiert (Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6.9.2011, Rechtssache C 442/09, Absatz 80), wurde jedoch von den Richtern deutlich zurückgewiesen: „Mit der vorgeschlagenen Auslegung“, erklärten sie wörtlich in ihrer Urteilsbegründung, „würde das Ziel der menschlichen Gesundheit beeinträchtigt, da ein Lebensmittel wie Honig keiner Kontrolle hinsichtlich seiner Unbedenklichkeit unterläge, auch wenn er in hohen Mengen genetisch verändertes Material enthalten würde.“

Ungeachtet dieser klaren Aussage für den Verbraucherschutz versuche die Kommission nun, nachträglich durch eine Änderung der Richtlinie dem Urteil die Grundlage zu entziehen, so die Ansicht des Bündnises zum Schutz der Bienen vor Agro-Gentechnik. Käme sie damit durch, würde das in der Konsequenz bedeuten, dass auch gentechnisch veränderter Pollen ein natürlicher Bestandteil des Honigs ist, meint das Bündnis. Dies zeige sowohl die Gefährlichkeit als auch die Absurdität der geplanten Novelle der Honigrichtlinie. Sie könne letzten Endes dazu führen, dass selbst Honig, der vollständig oder zu großen Teilen etwa aus Gentechnik-Raps stammt, nicht mit einem Hinweis auf die Gentechnik gekennzeichnet werden müsse, befürchtet das Bündnis.

Liest man die Pressemitteilung der Kommission (link s.u.), klingt das anders: „Dieser Kommissionsvorschlag betrifft nicht die Schlussfolgerung des Gerichtshofs zur Anwendung der GVO-Vorschriften auf genetisch veränderten Pollen in Lebensmitteln. Insbesondere ändert er nichts an der Schlussfolgerung des Gerichtshofs, nach der Honig, der genetisch veränderten Pollen enthält, nur dann in Verkehr gebracht werden darf, wenn
dafür eine Zulassung gemäß den entsprechenden Vorschriften vorliegt. Außerdem gelten auch die Vorschriften über die Kennzeichnung von GVO in Lebensmitteln.“

Wenn man das liest, fragt man sich als Bürgerin oder Bürger, wozu die Kommission überhaupt Worte macht (und für folglich überflüssige Gehirnakrobatik Geld verschwendet), wenn ihr neuer Vorstoß nichts mit dem GVO-Pollen in Honig zu tun haben soll? Wie sie selbst in der Pressemitteilung sagt, „Wenn Pollen also als natürlicher Bestandteil von Honig gilt, wären die Kennzeichnungsvorschriften der EU, nach denen eine Zutatenliste vorgeschrieben ist, nicht anwendbar.“ Der Nachsatz zum Thema Kennzeichnung von GVO-Pollen macht den Vorstoß nicht glaubwürdiger, sondern eher noch fragwürdiger. Welche Interessen verfolgt die Kommission hier eigentlich?

Das Bündnis zum Schutz der Bienen vor Agro-Gentechnik ist mißtrauisch. Seiner Ansicht nach gebe die Kommission nur vor, mit ihrem Vorstoß den Imkern eine Erleichterung zu verschaffen, damit sie für ihren Honig keine Zutatenliste angeben müssten.

Das müssten sie jedoch nach Auffassung von Rechtsexperten ohnehin nicht, im Zweifelsfall wäre eine Angabe „enthält Blütenpollen“ völlig ausreichend, informiert das Bündnis. Würde es der Kommission tatsächlich nur darum gehen, eine Zutatenliste für Honig zu vermeiden, wäre es naheliegend und vollkommen ausreichend, nicht die Honigrichtlinie, sondern das allgemeine Lebensmittelkennzeichnungsrecht zu ändern. Dieses enthält bereits eine Liste von Lebensmitteln (Art.6 der Kennzeichnungsrichtlinie 2000/13/EG, ANHANG IIIa), für die keine Zutatenliste erforderlich ist. Käse ist beispielsweise darin enthalten, Honig dagegen bislang noch nicht.

Thomas Radetzki, Sprecher des Bündnisses zum Schutz der Bienen vor Agrogentechnik, ist empört: „Man tut uns mit der geplanten Änderung definitiv keinen Gefallen. Denn es waren ja gerade wir Imker, die im Interesse der Transparenz und Wahlfreiheit für unsere Kunden das Honig-Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof erstritten haben. Hier soll offenbar eine Richtlinie geändert werden, weil sie den Interessen der Gentechniklobby widerspricht.“

Peter Maske, Präsident des Deutschen Imkerbundes, unterstreicht dies: „Die meisten Imker stehen in direktem Kontakt zu ihren Kunden und können sich nicht hinter Kennzeichnungsregeln verstecken. Als in meiner Heimatregion, dem Landkreis Kitzingen, Genmais angebaut wurde, mussten wir Imker unseren Kunden Rede und Antwort stehen. Der Vorschlag der Kommission löst keines unserer Probleme mit dem Anbau gentechnisch veränderter Lebensmittel.“ Und Walter Haefeker, Präsident des Europäischen Berufsimkerverbandes EPBA, ergänzt: „Wir haben auch auf europäischer Ebene der Kommission gegenüber immer wieder deutlich gemacht, dass wir auf der Gleichstellung unserer Kunden bei der Ausübung ihrer Wahlfreiheit in punkto Gentechnik bestehen.“

Nach Ansicht der im Bündnis zusammengeschlossenen Imkerverbände möchte die EU-Kommission mit ihrem Vorstoß verhindern, dass die Imker aus Schäden durch die Verunreinigung ihres Honigs mit verbotener Gentechnik Schutz- oder gar Schadensersatzansprüche ableiten könnten. Genau das könnte schon bald passieren. Denn Imker Karl Heinz Bablok möchte derzeit auf Basis des Honig-Urteils der Europarichter vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig durchsetzen, dass seine Bienen und sein Honig vor verbotener Gentechnik geschützt werden. Konkret heißt das, dass ein Umkreis von zehn Kilometern um seine Bienenstände frei von solchen Pflanzen sein muss, denn so weit fliegen Bienen auf der Suche nach Nektar und Pollen, so das Bündnis.

Ob es mit einem 10-km-Radius getan ist, ist allerdings fraglich. Wie das Umweltinstitut München in einem Beitrag über „Genpflanzen außer Kontrolle“ aufführt, kreuzt beispielsweise Raps „über extrem weite Distanzen aus. Untersuchungen wiesen den Pollen noch in 26 km Entfernung nach.“

Das Umweltinstitut München kommentiert den Vorstoß aus Brüssel folgendermaßen: „Die neue Regelung soll zudem Schlupflöcher ermöglichen, die zu einer Umgehung der Nulltoleranz für nicht zugelassene Gen-Pollen in Honig führen. Eine klare Absage an den Verbraucherschutz. Zur Zeit wird der hier verzehrte Honig überwiegend importiert, vorzugsweise aus Argentinien, Mexiko und China, und ist häufig mit Gen-Pollen kontaminiert.“

Quelle: Pressemitteilungen von Bündnis zum Schutz der Bienen vor Agro-Gentechnik, EU-Kommission, Umweltinstitut München

Weitere Informationen:

Pressemitteilung der EU-Kommission

Das „Honig-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs vom September 2011

Eine ausführliche Stellungnahme der Imkerverbände zu diesem Thema finden Sie unter den News bei www.bienen-gentechnik.de

1 Kommentar

  1. Die Präsidenten der Imkerverbände sowie deren Anwälte haben ganz sicher den Entwurf der EU-Kommission zur Änderung der Honigrichtlinie lesen, aber es ist schon bemerkenswert, dass die Imkerverbände in ihren Pressemeldungen und Stellungnahmen nie einen Verweis auf den Änderungstext geben. Dies soll hier nachgeholt werden.
    (http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2012/com2012_0530de01.pdf)

    Hierin kann jeder selbst nachlesen warum die EU-Kommission die generelle Einordnung von Pollen als Zutat, gleichgültig ob er aus konventionellen oder gentechnisch veränderten Pflanzen stammt, nicht für gerechtfertigt hält und warum sie die Honigrichtlinie ändern will. Ebenso ist festgehalten, dass durch die geplante Änderung die Anwendung des Gentechnikrechts (Verordnung 1829/2003) auf Honig bzw. Pollen nicht geändert werden soll.

    Damit wird das EuGH-Urteil nicht ausgehebelt und weiterhin bleibt Honig mit Pollen aus nicht voll zugelassen gentechnisch veränderten Pflanzen nicht verkehrsfähig und Honig mit Pollen mit aus umfänglich zugelassenen Pflanzen unterliegt in allen Konsequenzen der Kennzeichnungspflicht.

    Hiervon sind auch mögliche Schadensersatzansprüche der Imker unberührt, wenn der Honig nicht verkaufsfähig ist. All das haben die Imker, nach Aussage von Herr Haefeker gewollt; sie wollten eine Gleichbehandlung von Honig wie alle anderen Lebensmittel in Bezug auf die Gentechnik. Allerdings gehen die Präsidenten der Imkerverbände immer noch von einer falschen (privaten) Interpretation der EuGH-Urteils aus.

    Sie sind der Ansicht, dass das Urteil ausschließlich Pollen aus gentechnisch veränderten Pflanzen als Zutat einstuft, Pollen aus konventionellen Pflanzen dagegen sei nicht als Zutat anzusehen.

    Die EU-Kommission aber auch selbst die Anwälte von Herrn Radetzki (Mellifera) legen das EuGH-Urteil dahingehend aus, dass generell Pollen als Zutat anzusehen ist und eigentlich Honig heute mit einer entsprechenden Zutatenliste zu versehen ist.

    Dies möchte nun die EU-Kommission mit der Änderung Honigveränderung für konventionellen Pollen ausschließen, während für Pollen aus gentechnisch veränderten Pflanzen die gesetzliche Kennzeichnungsverpflichtung bleibt. Imker sollten sich reiflich überlegen, ob sie wirklich auf einer Zutatenlist für Honig bestehen wollen.

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