Bauen mit Lehm – früher und heute: Sanaa, Shibam, Deutschland

Auch mit ungebranntem Lehm kann man Hochhäuser bauen… Was im deutschsprachigen Raum für Jahrhunderte als Füllung von ein- bis dreigeschossigen Fachwerkhäusern diente, ließ im Orient Häuser bis in den Himmel wachsen: Lehm.

Eine beeindruckende Kulisse in der Wüste des Jemen zieht jedes Jahr Touristen in ihren Bann: Shibam, das aus Lehm erbaute „Manhattan der Wüste“ im Wadi Hadramaut, trotzt bereits seit rund 500 Jahren den Winden und der Sonne.

437 Hochhäuser, die meisten aus dem 16. Jh. n. Chr., stehen dicht an dicht, gebaut einst von reichen Händlern der Gewürz- und Weihrauchstraße. Wo heute industrielle Staaten auf Stahl und Beton setzen, liefern die bis zu neun Stockwerke hohen Gebäude den Beweis dafür, dass auch mit Naturmaterialien, dass mit Holz und Lehm bewohnbare, belastbare und dauerhafte Gebäude errichtet werden können.

Wieder erwachendes Weltkulturerbe: Shibam, die Stadt aus Lehm
Im Laufe der Jahrhunderte verlor die Wüstenstadt ihre Funktion, viele Bewohner verließen die einstige Oasenhauptstadt und zogen dorthin, wohin das moderne Leben, wohin Arbeitsplätze sie zogen.

Die Stadt mit den bröckelnden Hochhäusern auf Lehm wurde auf die Liste der bedrohten Denkmäler des Weltkulturerbes gesetzt, doch seit dem Jahr 2000 gibt es wieder Hoffnung: Ein vom jemenitischen Staat subventionierter Font sorgt für die Restaurierung der Gebäude aus Lehm.

Nicht mit moderner Technik und durch große Bauunternehmen, sondern auf traditionelle Weise mit den ursprünglichen Mitteln. Einheimische Handwerker und örtliche Helfer bringen ihre Fertigkeiten in die neu erwachte Zunft ein und lassen die Stadt wieder aufblühen. Die Menschen kommen zurück, und nach und nach erwacht Shibam wieder zum Leben.

Quelle: UNESCO TV / © TBS. Produced by TBS, supported by Sony. URL: http://whc.unesco.org/en/list/192/

Auch die Altstadt von Sanaa, der Hauptstadt des Jemen, ist reich an prachtvoll verzierten mehrstöckigen Lehmhochhäusern und zählt wie Shibam ebenfalls zum Weltkulturerbe. Die bis zu acht Stockwerken hohen Lehmbauten sind überwiegend bereits vor dem 11. Jahrhundert erbaut worden, also noch deutlich älter als die Lehmhäuser von Shibam.

Traditionelle Lehmhochhäuser in Sanaa, Jemen. Foto (Ausschnitt): Ferdinand Reus/Arnhem, Holland. (CC BY-SA 2.0)
Traditionelle Lehmhochhäuser in Sanaa, Jemen. Foto (Ausschnitt): Ferdinand Reus/Arnhem, Holland. (CC BY-SA 2.0)

Ökologisch Bauen mit Lehm als antibakterieller Wärmespeicher sorgt für gutes Wohnklima
Lehm ist nicht nur im Jemen seit Urgedenken ein traditioneller Baustoff. Überall auf der Welt wurde und wird Lehm zum Bauen, zum Brennen von Ziegeln, zum Abdichten von Hütten aus Bambus oder Holz und als festgestampfter Boden eingesetzt.

Dem neuen Bewusstsein für ökologisches Bauen und gesundes Wohnklima haben sich auch einige heutige Architekten verschrieben. Lehmhäuser regulieren die Luftfeuchtigkeit und speichern Wärme. Lehm wirkt zudem antibakteriell, bindet Schadstoffe und ist zu 100 Prozent recyclebar.

Einer der führenden Vertreter der Lehmbauweise ist Professor Gernot Minke. Zahlreiche Projekte in Deutschland und weltweit sind seiner Initiative und seinen innovativen Konzepten zu verdanken. Rund 60 Bauten hat er mit seinem Planungsbüro seit 1979 in Brasilien, Chile, Indien, Deutschland und anderen Ländern realisiert.

Lehmbauten im Alltag
Wer sich Lehmbauten von Gernot Minke einmal aus der Nähe ansehen möchte, hat dazu an vielen Orten in Deutschland Gelegenheit. Der Kindergarten in Oranienburg-Eden beispielsweise, der Waldorfkindergarten in Sorsum oder die Meditationshalle in Bad Zwesten. In Kassel befinden sich von ihm gebaute Wohnhäuser in der Ökologischen Siedlung. Weiter Häuser stehen beispielsweise in Bad Schussenried, in Uchte oder in Mühlacker.

Ein bekanntes und beeindruckendes Lehmgebäude steht in Berlin-Mitte: Die Kapelle der Versöhnung wurde von den Architekten Peter Sassenroth und Rudolf Reitermann entworfen und im Jahr 2000 auf dem Fundament der Versöhnungskirche erbaut. Sie war nach 100 Jahren der erste öffentliche Lehmbau Deutschlands.pm

Auch der Architekt Martin Rauch aus Österreich zählt zu den Pionieren des modernen Lehmbaus, die Architektin Anna Heringer, die gemeinsam mit Eike Roswag eine Schule in Bangladesh aus Lehm erbaute, erhielt 2007 den Aga Khan Award for Architecture. Mehr darüber erfährt man in dem Beitrag „Die Lehm-Moderne“ von Jeanette Kunsmann (in: Baunetzwoche # 267, 27. April 2012, S. 4–20).

Weitere Informationen
Gernot Minkes Homepage

Unesco: Old Walled City of Shibam

Für spektakuläre Rundum-Ansichten von Shibam einfach auf die Bilder in dieser Karte der world-heritage-tour klicken…

Unesco: Old City of Sana’a

Für spektakuläre Rundum-Ansichten von Sanaa einfach auf die Bilder in dieser Karte der world-heritage-tour klicken…

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