Elster und die Folgen – Glosse gegen die Verunglimpfung von Vögeln durch Finanzbehörden

Gerade kämpfe ich mal wieder. Mit einer Elster. Eigentlich mag ich die Vögel – sie sehen hübsch aus mit ihren blaugrün schillernden Federn, den schmucken weißen Streifen, und haben einen überaus intelligenten Blick. Rabenvögel eben. Was mich jedoch zur Weißglut bringt, ist ihr digitaler Verwandter aus dem Ideenreich der Finanzbehörden. Deshalb muß ich jetzt mal Dampf ablassen.

Wie man weiß, wenn man sich auch nur ein bißchen mit der heimischen Tierwelt befaßt, gehören Rabenvögel wie die Elstern zu den Intelligenzbestien im Tierreich – manche BiologInnen gehen sogar davon aus, daß einige Arten den Primaten überlegen sind.

Vermutlich waren es diese Überlegungen, die die Finanzbehörden oder ihre zuarbeitenden Programmierer dazu gebracht haben, den Vogelnamen als Kürzel der Software für die digitalisierte Steuererklärung zu wählen.

Im Volksmund ist die Elster dagegen als diebisch bekannt – ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Wie weit es mit der Intelligenz des Programmes her ist, merkt man bereits an den begleitenden Formulierungen – ich zitiere: Beim Anmelden soll man „in den Schritt … einsteigen“. Zum Glück stand schon in der Bibel „Du sollst Dir kein Bild machen“ – sonst würde mir jetzt merkwürdig zumute…

Außerdem – und das habe ich jetzt nicht etwa frei erfunden – heißt es da: „Die Finanzverwaltung bietet für jedermann die passende Lösung.“ Auch für Leute, die „nur Unternehmer sind (z. B. Photovoltaik-Anlagen) und darüber hinaus Arbeitslohn beziehen“.

Aha. Und nur Unternehmer. Interessant.

Da hätte ich aber noch so ganz nebenbei ein paar Fragen.

Gibts auch eine passende Lösung für Frauen? Gibts auch eine, die vielleicht tatsächlich auf Anhieb mit Mac-Usern beiderlei Geschlechts kompatibel ist?

Gibts vielleicht eine Lösung meiner die Finanzbehörden betreffenden Probleme, die in verständlichem und sprachlich zugleich korrektem Deutsch verfasst ist? Vielleicht hätte ich ja dann eine echte Chance, dieses !:LO^12!&$%&$%&-Programm so zu verwenden, daß es schnell das erledigt, was es soll?

(By the way: Sprachliche Optimierung täte zahlreichen behördlichen Texte gut. Leute, versucht doch mal, auf Substantive zu verzichten, die auf -ung enden, und macht daraus Verben. Auch antiquierte und von der hohen Warte amtlicher Macht ausgehende Worte wie ‚obliegen‘, ‚durchführen‘, ‚erfolgen‘, ‚übermitteln‘, ‚erforderlich‘, ‚betreffend‘ (ja, das habe ich oben bewusst eingesetzt), ‚im Hinblick auf‘ und ähnlich abstraktes Zeug gehört – ebenso wie Passivkonstruktionen zuhauf – auf den Index, wenn man erfolgreich kommunizieren will. Oder sollte das etwa nicht die Absicht sein? Ist das Ziel etwa, Informationen zu verschleiern, um dadurch strafbare Mißverständnisse hervorzurufen? Tststs – da staunt die Fachfrau, und der Laie wundert sich.)

Alles begann schon damit, daß man bereits eine Aufforderung zur Registrierung erhielt, als das technisch noch nicht möglich war. Wie schrieb doch gleich Hermann Hesse? „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, / Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ Daran merkt man, er kannte Elster nicht. Oder es war ein böser Zauber, ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft, um unserm alten Goethe das Wort im Munde herumzudrehen.

Bislang hat mich das vermaledeite Programmwunder nur Zeit und Nerven gekostet – und natürlich hat es auch die SteuerzahlerInnen Geld gekostet, alldieweil ich sowohl mein heimisches Finanzamt als auch die Elster-Hotline mit Anrufen belästigen mußte.

Selbstverständlich war ich für jeden Anruf 3–10 Minuten in der Warteschleife. Der Bürger, respektive die Bürgerin hat ja Zeit, und die kostet nix. Die Warteschleife ist übrigens mit dermaßen lauter Musik unterlegt, man sollte das Finanzamt eigentlich auf Körperverletzung verklagen. Von der seelischen Grausamkeit durch die Musikauswahl ganz zu schweigen…

Hat eigentlich mal jemand die oberste Finanzbehörde informiert, daß Selbständige, die ihre Zeit mit dem Rumhängen in Warteschleifen anstelle ihrer eigentlichen Arbeit verbringen, viel Geld kosten? Sie können in der Zeit nämlich weder Geld erwirtschaften, noch Waren konsumieren. Dort, wo sie sind, rollt der Rubel respektive Euro nicht mehr, sondern verharrt ebenfalls im Limbus.

Für die Nicht-TheologInnen unter meinen Leserinnen und Lesern – der Limbus ist der äußerste Kreis der Hölle, der Ort, an dem, wie Wikipedia so hübsch passend zu vermelden weiß, „sich Seelen aufhalten, die ohne eigenes Verschulden vom Himmel ausgeschlossen“ sind oder „Seelen der ungetauft verstorbenen Kinder, die nicht zum Vernunftgebrauch gelangten und sich damit auch keiner Sünde schuldig machten„. Wie treffend formuliert, auch für den buchhalterischen Limbus…

Doch zurück zum Problem des Warteschleifen-Limbus. Er sorgt für real sinkende Gewinne und damit für sinkende Einnahmen des Finanzamts. Denn wo nix ist, kann man nix holen. Oder, wie meine Großmutter zu sagen pflegte: „Versuch mal, nem nackten Mann in die Tasche zu greifen…“

Elstern und die Folgen

Doch der üblen Folgen des Elsterwahns sind noch mehr:

Elstern, wie ich diese unnütze Tätigkeit mal bezeichnen will, ist  volkswirtschaftlich zudem bedenklich, weil durch den vermehrten Ärger die Gesundheit der Betroffenen leidet – bei Amte ebenso wie bei der nicht verbeamtet arbeitenden Bevölkerung. Ausfall durch vermehrte Krankheitstage aber bedeutet wie oben: der Gewinn sinkt, daß Finanzamt kriegt schon wieder nix. Also müssen die verbleibenden Steuerzahler noch mehr blechen.

Wenn man jetzt mal wieder einen Blick auf den bedauerlichen Namensgeber des unsäglichen Programmes wirft, den klugen Vogel Elster, so wird klar, daß sein Ruf durch die mißbräuchliche Verwendung auf das gröbste geschädigt wird.

Gegen diese Verunglimpfung einer der intelligentesten Arten in Deutschland möchte ich mich hiermit nachdrücklich aussprechen: Weg mit dem nervigen Programm – her mit dem geduldigen Papier.

P.S.: Besonders goutiere ich die euphorischen Texte, in denen geschwärmt wird, wie gut die Bevölkerung ELSTER annimmt. Kein Wunder – das ist wie bei den Wahlen in Ländern, in denen man erschossen wird, wenn man nicht die herrschende Partei wählt. Die haben auch 100 % Wahlbeteiligung, und 100 % Richtigwähler…

Wers nachlesen will: hier steht, warum die Elster-Software „einer der beliebtesten Download-Software-Artikel in Deutschland“ ist…

Und für Leute, die noch nicht genug haben: Hier gibts noch mehr launige Kommentare zur Elster:

GLOSSE: Einmalig und schnell?

GLOSSE: Die diebische Elster und die deutschen Finanzämter

 

 

 

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